Infos zu (LIEBENTHALER%20PFERDE%20(LIEBENTHALER%20WILDLINGE))


Rassenname:
LIEBENTHALER PFERDE (LIEBENTHALER WILDLINGE)

Zuchtland:
Deutschland

Zuchtgebiet:
Brandenburg

Besonderheiten:
Name der Rasse vom Zuchtort

Größe:
130 cm bis 145 cm

Gruppe:
Versuchskreuzung

Blut:
Kleinpferd

Die Gemeinde Liebenthal liegt in der Nähe von Liebenwalde am südlichen Rand der Schorfheide nördlich von Berlin. Von einem zentralen Parkplatz führt ein ca. 1 km langer Weg zum „Haus der hundert Pferde“, dem Vereinshaus des Vereins „Liebenthaler Pferde“ e.V.. Direkt am Haus befindet sich der großzügige Haustierpark mit zahlreichen Tieren und einigen Liebenthaler Wildpferden. Alle diese Tiere und deren Besitzer und Betreuer sind mehr oder weniger mit dem neu gegründeten Verein „Liebenthaler Pferde“ e. V. verbunden.
Der Verein wurde im Jahre 2000 gegründet, besonders um die Liebenthaler Pferdeherde zu erhalten und zu betreuen. Das Vereinshaus wurde im Januar 2002 feierlich eingeweiht und ist ein Geschenk des Landes Brandenburg und der EU an die Gemeinde Liebenthal. Das gesamte Projekt wird auch von beiden Institutionen gefördert und unterstützt. In einer kleinen Ausstellung mit zahlreichen Fotos und filmischen Infos, können sich Pferdefreunde über die Situation der Wildpferde auf unserem Planeten, über die Funktion des Semire-servates für Przewalski Pferde in einem internationalen Erhaltungszuchtprojekt und über Ideen, Abenteuer und Geschichten, die dazu führten, dass es die Liebenthaler Pferdeherde gibt, informieren. Die Zucht erfolgt unter der Beachtung folgender Aspekte: Die Lebens- und Anpassungsfähigkeit der Pferde an ihren natürlichen Lebensraum zu erhalten. Dem natür-lichen Sozialverhalten der Pferde im Herdenverband zu entsprechen. Sowie ihr Aussehen in Anlehnung an die Überlieferungen zum europäischen Tarpan wiederzugeben.
Eigentlich sind diese Pferde keine Rasse, obwohl sie inzwischen als eigenständige Popu-lation anerkannt sind. Mit Sicherheit sind sie aber eine kleine Sehenswürdigkeit und Beson-derheit in der deutschen Pferdewelt.
Schon einmal, in der Zeit des Zweiten Weltkrieges hatte es Versuche und Träume gegeben, rückgezüchtete Wildpferde in der Schorfheide frei leben zu lassen.
Die heutigen Pferde sind das Ergebnis eines vor über 40 Jahren begonnenen Versuchs, die ausgestorbenen europäischen Wildpferde aus rezenten Pferderassen zurück zu züchten. Damals glaubte man an die nahe Verwandtschaft norwegischer Fjordpferde mit den aus-gestorbenen russischen Tundrenpferden (Tarpan). Inzwischen glaubt kaum noch ein Mensch an die Möglichkeit, ausgestorbene Wildpferde aus rezenten Rassen wieder erschaf-fen zu können. Auch weiß man, dass Norwegische Fjordpferde keine so ursprüngliche Rasse sind, wie es der Begründer dieser Zucht der Verhaltensforscher Herr Jürgen Zutz noch an-nahm. Er hatte die Vision, eines Tages in der Schorfheide Pferde wieder frei in der Wildnis leben zu lassen. Jürgen Zutz begann sein Projekt im Bayrischen Wald mit 4 Fjordpferdfo-hlen und einer Stute aus dem Rückzüchtungsprogramm des Münchener Zoos. In dieser Zoozucht waren wiederum Dülmener, Koniks und Przewalski Pferde eingegangen.
Nach der Wende zog Jürgen Zutz mit seiner inzwischen mehr als sechzig Tiere umfassenden Herde nach Friesack in das Land Brandenburg. Sein Ziel war die Schorfheide. Leider konnte er seinen Traum nicht mehr verwirklichen, seine Pferde eines Tages in der Schorfheide an-zusiedeln, weil er 1996 unerwartet verstarb. Nun war die Herde in Not. Doch die Herde konnte unter maßgeblicher Beteiligung der Landesregierung des Landes Brandenburg ge-rettet werden. So konnte die Gemeinde Liebenthal die inzwischen 85 Pferde im Jahre 1997 erwerben. Sie wurde noch einmal umgesiedelt und lebt jetzt in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schorfheide auf ca. 70 ha Weideland in der Nähe des Dorfes Liebenthal. In den An-fangsjahren wurde diese Herde von den Besitzern des Haustierparkes, der Familie Broja, betreut und überwacht. Etwas später bekam die Familie Unterstützung von den o.-g. Personen und Institutionen. Sie gründeten zusammen den Verein und betreuen die Herde heute gemeinsam.
Was ist nun das Besondere an dieser Herde? Für gewöhnlich kennt man folgende Herden-verbände: Reine Stutenherden mit Saugfohlen die meist eine alte Stute als Leittier haben, wie sie meist in größeren Gestüten zu finden sind. In solchen Gestüten oder Zuchten exis-tieren auch Herden von Jungstuten oder Junghengsten die aber noch keine klassische Rangordnung entwickeln, da meist das andere Geschlecht, Alter und Erfahrung fehlen und sie meist früh wieder getrennt werden. Gemischte Herden von Stuten, Jungpferden und Fohlen mit nur einem oder maximal zwei adulten Hengsten, von denen einer der Satel-litenhengst (Leithengst) ist, bekannt von völlig frei lebenden Pferden wie Mustangs, Brumbys oder Cimarrones. Gemischte „Herden“ von Freizeitpferden verschiedener Rassen, Herkunft, Altersgruppen und Alter bei denen es oft zu Veränderungen von Rangordnungen kommen kann, wenn ein Leitpferd, meist ein recht unscheinbares oder wiederum ein sehr dominan-tes Tier, entnommen oder hinzugegeben wird. Während die Gefahr für den Menschen in den ersteren Herden für gewöhnlich kalkulierbar ist, da man meist nur vom Leittier attackiert werden könnte und in freier Wildbahn kommt dies noch seltener vor, ist in letztgenannter Herde ein Risiko größer. Dies ist besonders durch die wechselnde oder nicht feststehende Rangordnung und besonders durch den Futterneid bedingt und man kann hier als Mensch schnell einmal in die Reichweite plötzlich ausschlagender oder sich durch Bisse vertreiben-de Pferde kommen.
Ganz anders ist die Situation in der Herde der Liebenthaler Wildlinge. Erst einmal kann man eine Herde von etwa einhundert Pferden beobachten, die etwa so aussehen, wie die europäische Wildpferde, nach wenigen Überlieferungen zu urteilen, mal ausgesehen haben und die, vor allem, etwa so leben, wie Pferde eigentlich leben. Das heißt: Sie wählen sich ihre sozialen Lebenspartner selbst und leben mit ihnen so, wie Pferde sich das vorstellen. Anders als bei den bekannteren deutschen „Wildpferden“, wie u. a. dem Dülmener Pferd, werden nicht jedes Jahr die Jährlingshengste herausgefangen und verkauft. Sie wachsen in der Hengstgruppe heran und einzelnen gelingt es, eigene Familienverbände zu gründen. Hier kann man beobachten, wie genau so etwas tatsächlich geschieht.
Diese Herde besteht aus derzeit aus 8 unterschiedlich großen Familien. Jede dieser Fa-milien wird von einem Leithengst angeführt und eine Familie hat sogar zwei adulte Hengste, von denen einer der Satellitenhengst ist, und der andere das Vorrecht zur Bedeckung der Stuten hat. In der Regel leben in dieser Herde bis zu 8 Hengste mit ihren Familien und auch eine Gruppe von Junghengsten. Es gab noch zwei weitere Familien die aber in andere Gebiete Brandenburgs verkauft wurden und dort in Freiheit leben. Dazu noch näheres im letzten Teil.
Alle diese Familien leben mit den Hengsten zusammen in einem Lebensraum, ohne räum-liche Trennung. Dies ist wirklich einzigartig in Deutschland. Daher kann man in dieser Herde sehr gut das Sozialgefüge der Pferde unter natürlichen Bedingungen studieren. Eine inzwischen sehr seltene Gelegenheit, die auch von Wissenschaftlern gern genutzt wird.
Auch reinrassige Konikhengste, ein leichterer Typ und ein schwererer Typ, und ein Dül-mener Hengst leben zur Blutauffrischung in der Herde. Diese müssen sich noch eingliedern und kämpfen, wie die zahlreichen Narben des leichteren Koniks und ein leicht lahmender Liebenthaler zeigten, die erst vor kurzem einen kleinen Streit miteinander hatten.
Der Liebenthaler ist ein Pferd, das in seinem Aussehen den Überlieferungen über ausge-storbene europäische Wildpferde nahe kommt. Die Pferde sind quadratisch gebaut und man unterscheidet zwei Typen, einen feineren mit einem eleganten Kopf und einen kräftigeren mit einer breiten Brust und einem stärkeren Kopf. Fast alle Pferde sind Graufalben einige sind Braunfalben und einzelne sind Weiß- und Rotfalben. Andere Farben und Abzeichen werden nicht anerkannt. Die Pferde haben interessant gefärbte Köpfe mit einem dunklen Maul- und Augenbereich. Der Kopf selber ist kurz und zeigt einen weiten Abstand zwischen den nach vorn gerichteten Augen. Die spitzen Ohren haben einen dunklen Rand und eine ebensolche Spitze. Die Mähne ist, ähnlich dem des Fjordpferdes, dreizeilig und zweifarbig, in der Mitte schwarz und rechts und links von helleren und kürzeren Haaren umgeben, und sollte kurz und bürstenartig sein. Ein weiteres typisches Merkmal ist ein Aalstrich auf dem Rücken, ein deutliches Schulterkreuz und dunkel gefärbte Beine bis hin zu den Sprungge-lenken und schwarze Hufe. Dabei sollen die Gliedmaßen an der Rückseite Querstreifen aufweisen. An den Beinen einiger Pferde ist ein leichter Kötenbehang zu sehen. Die Pferde haben Widerristhöhe von ca. 130 cm bis 145 cm. Die Fohlen werden sehr hell geboren und färben sich mit der Zeit dunkler. Der Liebenthaler ist sehr robust, langlebig und gesund. Wegen ihres ausgeglichenen Charakters, infolge der Herdenaufzucht, eignen sich die Lie-benthaler Wildlinge sehr gut als Kutsch- und Reitpferde.
Jungstuten ohne Fohlen können im Frühsommer und Junghengste ganzjährig aus der Herde genommen werden, wenn sich ein Käufer findet. Diese Pferde müssen dann aber erst an Halfter und menschliche Nähe gewöhnt werden. Da die Pferde aber sehr umgänglich und ruhig sind, bedingt durch die Aufzucht in einem Herdenverband, sollte dies für einen Pferdekenner nicht schwer sein. Der Verkauf einzelner Tiere ist notwendig, um die Herden-population aufrecht zu erhalten. Alle Hengste und Stuten haben einen Namen, erhalten einen Mikrochip und die Fohlen bekommen ein Brandzeichen auf dem linken Hinter-schenkel, somit wird die Herdenentwicklung stets dokumentiert. Das Brandzeichen zeigt ein „L“ mit einem geschwungenen waagerechten Teil verbunden mit einem Bogen des „P“ im oberen Teil. Links und rechts von beiden verschlungenen Buchstaben wird das Jahr der Geburt angezeigt.
Es werden jährlich ca. 20 bis 25 Fohlen geboren. Die Herde der Liebenthaler Wildlinge ist inzwischen auf über 100 Tiere (angestrebt wird eine durchschnittliche Herdengröße von ca. 90 Tieren) angewachsen.
Zwei Familien aus dieser Herde stehen seit 2 Jahren nicht mehr in Liebenthal. Eine Familie kam nach Südost-Brandenburg nach Elsterheide-Bergen. Die zweite Familie lebt auf den Elbewiesen bei Lenzen in Nordwest-Brandenburg. Dort sollen diese Pferde, ähnlich dem Modell der Fjällrinder in der Lüneburger Heide, für eine natürliche Beweidung eines Grünlandes sorgen. In Lenzen versucht man auf ca. 80 ha einen extensiv bewirtschafteten Überflutungsgrünlandkomplex in einem Rückdeichungsgebiet zu entwickeln. Zwischen Wald- und Offenlandbereichen sollen offene bis halboffene Weideflächen mit parkartigen Übergängen geschaffen werden. Diese Beweidung einer Stromtalaue mit wilden Pferden ist in Deutschland bisher beispielhaft und einzigartig. Eigentümer dieser Pferdefamilie ist die Landschaftspflege GmbH Lenzen, die diese Pferde in Liebenthal für dieses viel versprechende Projekt kaufte.

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